Onkel Bolles Kolumne



Aber bitte doch nicht...
gleich den Kopf absägen!



Gut, verstanden haben wir uns nicht. Wir haben beide nicht bekommen was wir uns wünschten. Wir haben uns immer nur um unsere eigenen Wünsche gekümmert und nie um die des Anderen. Was für mich blau war, war für dich gelb und bei Orange haben wir noch viel weiter auseinander gelegen; aber mußtest Du mir denn gleich den Kopf absägen? Ich kann Dir sagen, man fühlt sich ganz schon eigenartig so ohne Kopf. Bluten tut es nun schon seit etlicher Zeit nicht mehr aber ich finde ich hätte es verdient, daß du mir wenigstens mitgeteilt hättest, was Du mit dem mir lieb gewordenen Körperteil vorhast. Vermutlich steht er irgendwo im Abseits in deinem unaufgeräumten Schlafzimmer und wird Zeuge deiner neuerlichen Schandtaten, zu denen du dich schon immer hingezogen gefühlt hast. Wenn dich jemand fragt:"Sag mal, wer steht denn da auf der Kommode?" höre ich dich sagen:"Das ist mein Ex, beachte ihn nicht, er war nur Statist in meinem Leben. So wie er jetzt da steht, zum Schweigen gezwungen ist, nimmt er eine interessantere Rolle in meinem Leben ein, als noch vor ein paar Monaten, wo er mich permanent durch seine wenig originellen Phrasen langweilte."
An einem hat sich nichts geändert, ich bin immer noch Komparse und führe ein Schattendasein. Die Bühne des Lebens sah ich in unserer Beziehung immer nur dann, wenn es nach der Vorstellung ums aufräumen ging. Hauptdarsteller waren Andere. Ich gehörte zum Aufräumkommando, zum Reinigungspersonal. Daß ich hier die Leitung übernehmen durfte, war nur ein kleiner Trost für den Anfang. Die nächtlichen Vorstellungen auf Deiner Bühne waren interessant. Manchmal habe ich mich in der Umkleidekabine der Protagonisten versteckt und durch ein Loch in der Wand die Aufführung beobachtet, dich bewundert für die harmonische Choreographie deiner Stücke. Auch das Publikum konnte ich sehen. Illustre Menschen saßen im Zuschauersaal, und es ist kein Geheimnis, auch sie haben Dich bewundert, haben dir zugejubelt und sich gerne in Deiner Nähe aufgehalten, um einwenig von den Strahlen deines Glanzes abzubekommen. Eines blieb mir jedoch unergründlich: deine ungebrochene Vorliebe für das Drama. Alle Helden mussten im fünften Akt ihr Leben lassen.

Wohin nur mit den ganzen Köpfen?

Alle Stauräume in Deiner Wohnung quollen schon über mit Köpfen ehemaliger Protagonisten, selbst im Schuhschrank war kein Platz mehr. Ich hatte mir schon überlegt, ob nicht der örtliche Fußballverein eine Verwendung für die Köpfe hätte, dann wäre wenigstens wieder etwas Platz für Schuhe freigeworden.
Dein Schauspielhaus ist bestimmt noch immer gut besucht. Vielleicht liegt das daran, daß du es wert bist, für dich den Kopf zu verlieren. Dennoch, ich bin sehr froh, daß ich das nun alles hinter mir habe. Das Sägen hat ganz schon lange gedauert. Zum einen weil das Sägeblatt, ob des häufigen Gebrauchs, bereits sehr stumpf geworden war und zum anderen, da ich mich bei der Prozedur nicht gerade geschickt angestellt habe. Wochenlang dieses Sägen durch Haut, Fleisch und Gebein und das ewige Stillhalten hat mich ausgelaugt und mürbe gemacht. Jetzt stehe ich rum und habe wenigstens meine Ruhe. Auf der Kommode im Schlafzimmer ist ein Ehrenplatz, verglichen mit Schuhschrank oder der Abstellkammer. Im Grunde sogar besser als die Leitung des Reinigungspersonals. Ich möchte dir danken für alles, was du für mich getan hast.



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